KULTUR/Kolumne: Die neue, alte Freiheit auszubrechen mit einem anderen Statement als damals?
Vanlife als Lifestyle hat sich in den letzten Jahren immer mehr etabliert. Ich bin der Sache mal nachgegangen und habe festgestellt: Dieser Lifestyle ist schon irgendwie neu, aber auch gleichzeitig alt. Schon die 68er fuhren damals mit betagten oder weniger betagten alten VW-Bussen durch die Landschaft in Kalifornien. Man nannte sie Hippies. Sie trugen lange, bunte Gewänder und auch sonst schwebte über ihnen die absolute Freiheit. Weg vom klassischen Gutbürgertum. Man genoss die Freiheit am Strand mit Gleichgesinnten. Man spielte Gitarre, fuhr zu Festivals und von Zeit zu Zeit gab es einen Joint oder Härteres. Egal! Jede Zeit hatte seine Legitimation. 40 Jahre später sieht man dieses Bild plötzlich ( oder doch nicht so plötzlich) wieder. Überall in den sozialen Netzwerken tauchen sie wieder auf. Die Vanlife–Communities. Anders als damals oder adaptiert in die Neuzeit? Man sieht in vielen Netzwerken traumhafte Bilder mit den entsprechenden Campingbussen vor diesen Kulissen.

Sonnenuntergänge an der Algarve oder in der Nähe von Nizza und dem roten Meer. Menschen, meist junge, die ausgebrochen sind aus dem Alltag.

Und die anscheinend mit einer Leichtigkeit über Wochen, Monate oder sogar Jahre durch die Welt und das Leben fahren als gäbe es kein „Morgen“. Dabei wird alles dokumentiert. Oder besser gesagt zelebriert dokumentiert. Das schon fast der Verdacht aufkommt: Wer sponsert das Ganze? Man sieht junge Männer, braungebrannt und vielfach ausgestattet mit Rasterlocken und Frauen mit wallenden blonden Haaren und einem Strohhut auf dem Kopf. So müssen Menschen im Paradies aussehen oder das Paradies an sich. Gerade dann, wenn diese Szenerie so noch als Frühstückszenerie arrangiert ist: Ein Sonnenaufgang am Mittelmeer oder dem besagten Roten Meer. Auf dem Tisch das ultimative Frühstück in Form von Müslis oder allem, was auf jeden Lifestyle verspricht.

Manchmal liegt auch noch ein Hund daneben. Mit Halstuch. In Farben der Hippies. Damit so ein Bild dann noch die richtige mediale Dimension bekommt, wird mit einer Drohnenaufnahme alles vervollständigt und per Photoshop in schönen reduzierten Sepiatönen in die richtige Atmosphäre gebracht. Und dann geht es ab Richtung Instagram, Facebook oder Twitter. All das ist natürlich legitim und ich muss zugeben, dass ich mir solche Posts gern selber anschaue. Nur manchmal taucht dann der Verdacht auf: Ist das echt? Eine Wirklichkeit, die so existiert? Oder geschönt und geschickt vermarktete Illusion? Vielleicht ist das Meiste davon sogar echt und ich muss zugeben, manchmal ist ein Ausbruch in die große Freiheit mit einem alten T1 Bus vielleicht ein nachhaltiges Erlebnis und ich würde es gern selber einmal ausprobieren. Wahrscheinlich würde ich dann aber eher einen politisch korrekten Saubermann fahren und hätte kein schlechten Gewissen über den Schadstoffausstoß und solchen Dingen. Aber passt das dann noch zur Hippieattitüde? Ich weiß es nicht und stehe gerade dabei mit meiner eigenen Meinung mal wieder etwas auf dem Schlauch!

Autor: Michael Hiller

vdm

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *