Ein Interview mit Stephen Williams und Julia Erdmann von Stephen Williams Associates, Hamburg, über urbane Hotels, lebenswerte Räume und das Schaffen von Identität

Herr Williams, Frau Erdmann, zahlreiche Projekte Ihres Büros sind im Hotelbereich angesiedelt, insbesondere im urbanen Kontext. Wie würden Sie hier die heutigen Erwartungen beschreiben?

Stephen Williams: Hotels sind keine Transit-Orte mehr. Monofunktionalität war gestern, heute zählt multiple Nutzung. Das Hotel wird zu einer Miniaturwelt: Sie können dort arbeiten, entspannen, ausgehen, essen, nette Leute treffen oder Konzerte besuchen. Jeder ist willkommen. Nicht nur Gäste. So werden Hotels zu Impulsgebern urbaner Kultur. Sie prägen und beleben ein ganzes Stadtviertel wie beispielsweise das „Michelberger Hotel“ in Berlin-Kreuzberg oder das „25hours Hotel“ in der Hamburger Hafencity.
Julia Erdmann: Früher war es die 5-Sterne-Einrichtung, heute zählen 5-Sterne-Erlebnisse. Ein Hotel schafft viele gute Gründe, um sich in ihm aufzuhalten. Gutes Essen, gute Gespräche, eine gute Zeit. Nur einer davon ist die Übernachtung.

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Julia Erdmann und Stephen Williams, Stephen Williams Associates Copyright: Thomas Schweigert

Der Claim Ihres Büros lautet „Architecture Design Identity“. Wie generieren Sie Identität in Zusammenarbeit mit Ihren Kunden?

Erdmann: Uns ist wichtig, auf Augenhöhe zu kollaborieren. Vielfältige Vorstellungen führen nicht zu Kompromissen, sondern besseren Erkenntnissen. Und zu Ergebnissen, die vom Leben inspiriert sind, nicht vom Reißbrett. Je mehr Erwartungen erfüllt werden, desto selbstverständlicher zeichnet sich ein Ort später in die Umgebung ein. Selbstverständlichkeit ist ein Kompliment! Anstatt die unstillbare Jagd nach dem Neuen zu bedienen, gestalten wir für die Sehnsucht nach dem neuen Vertrauten.
Williams: Genau. Identität zu bauen heißt zu erkennen, was ist. Nicht zu gestalten, was nie war, aber fancy aussieht. Wir finden das gemeinsam mit unseren Kunden heraus und übersetzen Werte und Emotionen im Raum. Dabei gibt unsere Architektur immer einen subtilen Kommentar auf gesellschaftliche Entwicklungen ab, der Menschen eine andere Perspektive ermöglicht. So machen wir Menschen mit der Ambivalenz und dem prozesshaften Charakter von Identität vertraut.

Andere Felder Ihrer Tätigkeit sind Restaurants und Bürowelten. Lassen sich hier Vergleiche ziehen? Inwieweit spielt das wachsende Verschmelzen von Leben und Arbeiten eine Rolle?

Erdmann: Architektur wirkt! Räume formen uns. Im schlimmsten Fall machen sie uns krank. Je mehr die Grenzen zwischen Arbeit und Leben verschwinden, desto wichtiger werden Räume, in denen es uns gut geht. In denen wir uns nicht nur befinden, sondern „wohlbefinden“. Wie inspirierend ist da eine weiße Wand, ein Großraumbüro, eine weitere Glasfassade, Plätze ohne Licht und Schatten? Lebenswerte Räume nehmen den Menschen nicht als Statist oder Humankapital wahr, sondern als Akteur mit eigenen Bedürfnissen.
Williams: Am Ende geht es um Kommunikation. Egal ob Stadt- oder Innenräume, wir schaffen Räume, in denen sich Kommunikation selbstverständlich entfalten kann, die unsichtbare Schwellen überwinden und damit bis ins letzte Detail selbst demokratisch sind. Wenn zwei Menschen zusammenkommen, entsteht Kreativität, Austausch, Inspiration, mit der Zeit eine Kultur. Deshalb geht es uns immer darum, dass Leute schnell ins Gespräch kommen.

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit? Wo sehen Sie die spannendsten Herausforderungen?

Williams: Gerade haben wir ein Haus für einen bekannten Rockstar fertig gestellt. Es steckt voller musikalischer Reminiszenzen. Als nächstes entwerfen wir ein neues Hotel in den Hamburger Stadthöfen, nachdem wir für das Quartier einen Masterplan angefertigt haben. Wir leben in einer Zeit der Teilhabe und Vernetzung. Deshalb sollten wir mit einem Verständnis von Architektur aufräumen, die Leute nur zum Staunen animiert, anstatt sie einzubinden. Denn unsere gebaute Umwelt ist nicht nur da, um angeschaut zu werden, sondern sie zu nutzen und zu erleben. Tanzende Menschen sind am Ende eine gute Alternative zu Tanzenden Türmen. Oder?

Profil
Stephen Williams, geboren in Port Talbot (Wales), studierte Architektur in Birmingham und Canterbury. Er begann seine Laufbahn in London bei Architekten wie Piers Gough und Elia Zenghelis von OMA und ließ sich 1994 in Hamburg nieder. Seit 2004 arbeitet Julia Erdmann mit Stephen Williams zusammen. 2009 stieß sie als Associate Partner hinzu. Julia Erdmann studierte an der Hamburger Kunsthochschule Architektur und Stadtplanung. Beide treten für ein inklusives Verständnis von Architektur ein, das Menschen zusammenbringt, um vitale und nachhaltige Communities zu erschaffen. Schwerpunkte des Büros liegen in den Bereichen Hotels, Gastronomie und Bürowelten insbesondere in Europa und Asien.
www.stephenwilliams.com

imm Köln

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