Ein Interview mit dem Architekten Cass Calder Smith über das Leben in San Francisco und New York sowie über Einflüsse auf die amerikanische Wohnkultur.

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Cass Calder Smith Copyright: © Paolo Vescia

Mr. Smith, Sie wurden in New York geboren, sind aber noch als Kind nach Kalifornien gezogen, wo Sie in einer alternativen Kommune lebten. Hat diese frühe Phase Ihres Lebens Ihre Vorstellungen vom Wohnen und von Architektur beeinflusst?
Ja, sie hat mein Leben in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Ganz allgemein gesprochen, hat mir diese alternative Lebensweise andere Perspektiven und ein unkonventionelleres Denken vermittelt. Alle mussten dort ihre eigenen kleinen Häuser aus irgendwie ergatterten Materialien bauen. Ich habe mitgeholfen und dabei gelernt, wie man baut, und bereits sehr früh ein Gefühl für Materialien, Raum und Funktion entwickelt. Das war der erste Impuls, mich mit der Tischlerei zu befassen. Ich habe gelernt, mit Holz zu arbeiten; diese Fähigkeiten haben sich weiter entwickelt und beeinflussen meine Arbeit heute noch. Die Gegend, in der wir lebten, war sehr ländlich und „weitab vom Schuss“ und wir mussten alle lernen, wie man in einer solchen Abgeschiedenheit überlebt – Brennholz schlagen, Wasser schleppen usw. Ich denke, dass ich kein Problem mit diesen Dingen hätte, sollte ich sie jemals wieder tun müssen. Ich habe in dieser Zeit aber schon eine große Wertschätzung entwickelt für Dinge wie Strom, Warmwasser und das Lebensmittelgeschäft an der Ecke…
Sehen Sie zwischen dem Osten und dem Westen der USA Unterschiede hinsichtlich Lebensstil, urbaner Kultur und Wohnarchitektur?

Ja und nein. Als ich jung war, gab es definitiv noch große Unterschiede, aber heute leben wir in Zeiten, wo alle ständig unterwegs sind. Daraus ergeben sich auch Ähnlichkeiten in der Art und Weise, wie die Menschen leben. New York ist sehr urban, dicht bebaut und gleichermaßen ein Geschäfts- wie ein kulturelles Zentrum, während in der San Francisco Bay Area Technologie großgeschrieben wird – und Erholung im Freien. Was den Lifestyle betrifft, ist Kalifornien entspannter, eher „casual“ als New York, was sich in gewisser Weise auch in den Häusern widerspiegelt. Mein Ausdruck für diese Art von Architektur ist „casual modernism“ – „entspannte Moderne“… Ich würde sagen, dass es bei der Gestaltung von Häusern in San Francisco und der Bay Area nicht nur um Funktion geht, sondern sehr stark auch um den Raum, das Licht, die Aussicht und darum, zu unterhalten. Das Licht in der Bay Area hat eine ganz besondere, wunderschöne Qualität und davon sind natürlich auch die Entwürfe inspiriert. In New York geht es viel urbaner zu, daher steht die Funktion eher im Vordergrund und die Herausforderung besteht darin, so viel wie möglich auf kleinerem Raum unterzubringen, woraus sich andere Fragen ergeben. So kochen die Menschen in New York City beispielsweise nicht so häufig und daher sind auch die Küchen nicht so ein zentraler Bereich in ihren Wohnungen. Allerdings ändert sich das gerade. Ich entwerfe auch Häuser in den Hamptons am Ostende von Long Island und da dies eher eine ländliche Gegend ist, gibt es gewisse Ähnlichkeiten zu den Bedingungen in Kalifornien. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Ost- und Westküste ist, dass es in der San Francisco Bay Area eher darum geht, ein Haus zu besitzen, während die Wohnformen in New York City eher Apartments oder Lofts sind.
Neben Wohnhäusern entwerfen Sie auch häufig Restaurants. Sehen Sie wechselseitige Einflüsse zwischen diesen beiden Arbeitsfeldern?

Im Allgemeinen sind das ziemlich unterschiedliche Bereiche. Für mich sind Restaurants öffentliche Räume und Häuser sind privat… und dieser Unterschied ist entscheidend für den Entwurf. Allerdings glaube ich schon, dass private Häuser und Wohnungen Aussehen und Stimmung von Restaurants beeinflussen – mehr als umgekehrt übrigens. Die meisten Menschen gehen lieber in Restaurants mit einem wohnlicheren Ambiente als in solche, die eher kommerziell und funktional anmuten. Andererseits beeinflussen die gewerblichen Küchen zu einem gewissen Grade auch die privaten Ansprüche; das betrifft aber eher die Ausstattung mit Geräten. Ich denke, dass es bei Wohnhäusern ganz allgemein darum geht, eine zeitlose Architektur zu schaffen. Daran arbeite ich sehr intensiv. Restaurants hingegen werden naturgemäß entsprechend den jeweiligen Trends entworfen. Häuser werden in der Regel als Ganzes geplant – das gesamte Gebäude inklusive dem Interior, was sehr komplex ist. Restaurants sind meist innerhalb bereits bestehender, größerer Gebäude untergebracht, darum geht es mehr um Interior Design und im Regelfall um die Schaffung einer eigenen Persönlichkeit, einer Marke.
Wie wichtig ist das Interior, um atmosphärisch stimmige Einheiten zu schaffen? Beraten Sie Ihre Kunden generell auch bei der Auswahl der Möbel?
Das Interior ist sehr wichtig – da es letztlich das „Gefühl“ an einem Ort bestimmt, das Erlebnis. Bei Restaurants wählen wir das Mobiliar selbst aus. Bei den Häusern wählen wir manchmal alle Möbel aus, manchmal nur einen Teil und manchmal gar keine. Das kommt ganz auf den Kunden an.

Profil
Cass Calder Smith studierte Architektur an der University of California in Berkeley. Er wurde 1961 in New York City geboren, lebt seit 1972 in Kalifornien und pendelt heute zwischen den beiden Küsten der USA. 1990 gründete er CCS Architecture in San Francisco und eröffnete 2005 ein weiteres Büro in New York City. CCS hat ein breites Spektrum öffentlicher und privater Gebäude und Interiors entworfen, die zahlreiche Preise gewonnen haben und international veröffentlicht wurden.

IMM Köln

VDM Michael Hiller

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