Die BMW R nine T Scrambler braucht an sich nicht mehr vorgestellt werden.

Überall, wo Lifestyle herrscht, ist eine R nine T immer ein Statement. In welcher Modellform nun auch immer. Ein Statement an den guten, unverfälschten Geschmack. Der Scrambler – übersetzt „Der Kletterer“ steht für eine Motorradgattung der 50er und 60er Jahre. Grobstollige Reifen, breiter Lenker und eine höher gelegte Auspuffanlage sowie höher gelegte Schutzbleche. Das Ganze diente damals nur einen Zweck: Die Geländetauglichkeit sollte erhöht werden zu Zeiten, wo es noch keine Enduros gab oder Motocross-Maschinen. Der Scrambler war quasi die eierlegende Wollmilchsau. Klingt jetzt vielleicht etwas grob, stimmt aber. Für den Ritt Richtung Süden oder Norden oder die Ausfahrt in die Wildnis gedacht. All das war damit möglich. Man sieht sie direkt vor sich, die Jungs: Schwarze Lederjacke, Bluejeans und Schnürstiefel. Gegeltes Haar und Schlägerkäppi. Heute würde man möglicherweise sagen: Richtig guter Urban Style. Es ist ja auch extrem lässig, dieses Bild von damals. Neben aller Digitalisierung, machen wir uns da nichts vor, wünscht man sich doch auch wieder ein Stückchen James Dean. „Back to the Roots“. Genau das ist es, was BMW wahrscheinlich auch 2013 gedacht hat bei der Markteinführung der BMW R nine T. Die Einläutung einer Art Renaissance an diesen Motorradtypus. Natürlich taten das nicht nur die Bayern, sondern auch die Italiener und andere Landsmänner. Die wiedergeborenen Scrambler stehen hoch im Kurs und das ist auch richtig so. Das zumindest möchte ich jetzt schon mal sagen.

Ich habe die R nine T getestet. Nicht im technischen Sinn. Nein, ich habe sie auf Emotion getestet und auf Ergonomie. Es war an der Zeit für mich. Nicht nur als Herausgeber dieses virtuellen Magazins, sondern auch als Industrie Designer, der ich nun einmal bin. Ich musste sie einfach testen. Die Zeit war reif.

Die R nine T sieht nicht nur cool aus, sondern neben dem Scrambler Design vermittelt das Bike durch ihre Portion Rauheit ein unheimlich intensives Fahrgefühl.

Wobei ich eindeutig zugeben muss, meine nüchterne Betrachtungsweise für Produkte aller Art ist hier erstmal abzulegen. Form follows Funktion – die Heiligsprechung im Vorfeld eines Pflichtenheftes muss für mich zumindest erstmal jetzt tabu sein. Bei der Übergabe durch Motorrad Weihe im westfälischen Löhne wird mir sofort klar, ich muss bei der Beurteilung von Form und Funktion der R nine T bei mir ein Reset durchführen. Sonst wird das nichts. Meine 1,92 m müssen irgendwie verstaut werden auf dem Bike. Die BMW wirkt nun wirklich nicht zierlich. Im Gegenteil: Sehr maskulin und strotzt auch vor Kraft.

Die R nine T strotzt vor Kraft, wirkt aber trotzdem nicht überladen.

Aber das tun Bullterrier auch. Lange Rede, kurzer Sinn. Rauf auf’s Motorrad und ab Richtung Minden. Schon nach den ersten Metern wird mir klar: Es ist wie die Begegnung mit einem alten vertrauten Freund. Zwanzig Jahre lang nicht gesehen und trotzdem ist sofort wieder dieses Gefühl großer Vertrautheit da. Etwas Skepsis natürlich spielt auch mit hinein. Welche Marotten hat er möglicherweise entwickelt? Ich fühle mich sofort auf den ersten Kilometern wohl auf der BMW Scrambler. Aufrechte Sitzposition am breiten Lenker und ein Knieschluss, der entspanntes Fahren zulässt. Auch auf der Hauptverkehrsstraße in Bad Oeynhausen. Stop and Go. Dann Fahren. Wieder Bremsen. Und so weiter und so weiter bis dann die Erlösung Richtung Bundesstraße kommt. Mein Verhältnis hat sich während dieser gefühlten 30 Minuten von Bremsen und Gasgeben zur R nineT bestätigt. Der gute Freund ist immer noch da. Sie fühlt sich unheimlich handlich an und das gewollte raue Vibrieren durch den Zweizylinder Boxer stellt sich selbst in dieser nervigen Fahrerei als fast ein meditatives Gefühl ein. Ich erinnere mich daran, irgendwann mal eine R 75/5 bewegt zu haben. Die sogenannte Gummikuh von BMW. Mit diesem klassischen Boxer Anfang der Siebziger hat dieser Boxer natürlich überhaupt nichts mehr gemein. 110 PS bei 7500/min und einem Drehmoment von 116 Nm bei 6000/min sind eine echte Ansage. Mal vom Styling abgesehen verbindet die R 75/5 mit der R nine T das historische Erbe an diesen sagenhaften Boxermotor (ich habe ihn lieben gelernt auf dieser Fahrt). Bevor es nun Richtung Minden geht, fahre ich einen kurzen Abstecher Richtung Porta Westfalica bei wunderschönem heißen Wetter über die Weserbrücke unterhalb des Kaiser-Wilhelm-Denkmals zu dem Bratwurstmann meines Vertrauens: Heino! Eine Institution, wenn es um leckere Pommes und gebratene Würste aller Art geht. Die hier vertretende Kundschaft, eine bunte Mischung aus Handwerkern, Studienräten bis hin zu einem Piloten nimmt (und das hatte ich gehofft) dieses Bike sofort unter Augenschein. Fast unmittelbar nach meinem Eintreffen kam: Was ist das für ein cooles Stück Motorrad? Oder: So muss ein Motorrad aussehen. Ohne Firlefanz und Schickimicki. Genau das wollte ich hören und bestätigt das, was ich schon auf den ersten Fahrkilometern gefühlt habe: Ich fahre etwas ganz Pures! Das macht wahrscheinlich auch den Hype aus für dieses Krad!

Aber nun genug. Es muss gefahren werden. Auf der 482 geht es in einem großen Kreis wieder Richtung Minden. Ich lasse die R nineT erstmal fliegen. Natürlich nur im Rahmen des Erlaubten und stelle fest, dass der breite Lenker nicht nur unheimlich bequem ist, sondern eine entspannte Sitzposition trotz steigendem Windrucks vermittelt und den Bezug zu dem Vorderrad nicht verlieren lässt. Ich fühle mich sicher und kann mich ohne große Anstrengung auf den Verkehr konzentrieren. Sehr schön der Sound im Weserauentunnel, den ich auf dem Weg nach Minden durchfahre. Ein sonorer, leicht aggressiver Sound, der aber unheimlich anmacht und das Authentische direkt überträgt. Ich fühle mich dabei wie in einem alten italienischem Film, wo irgendein Hollywoodstar durch die zahlreichen Tunnel am Gardasee düst. Klingt kitschig! Weiß ich, stehe aber dazu!

Verabredet bin ich in Minden mit dem Fotografen meines Vertrauens: Kai Fehler! Einer wie er ist nicht nur Schöngeist, sondern entwickelt (manchmal ist mir das direkt unheimlich) einen fast magischen Blick auf die Details. Genau der Richtige, um die BMW ins fotografisch perfekte Licht zu rücken und Details erkennen zu lassen, die meine Designkollegen in Bayern mit feinster Handschrift entwickelt haben.

Auf dem Weg zu ihm fahre ich durch den Stadtverkehr und stelle fest, wie handlich das 19-Zoll- Rad agiert und die Kräfte beim Einlenken im moderaten Bereich bleiben. Auf der Suche nach einem geeigneten Gelände für die Fotolocation treffen wir uns zuerst an einem Ort, wo viel Pflastersteine verbaut worden sind. Für mich eine Herausforderung, da das grobstollige Profil hier im Schritttempo schon eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Gerade bei etwas tieferen Schlaglöchern auf dem Gelände schlägt die BMW beim Bremsen relativ schnell durch. Nichts Dramatisches, aber es ist feststellbar. Man muss es nur wissen. Die Telegabel vorn mit einem Standrohr von 43 mm Durchmesser und einem Federweg von 125 mm reicht aber natürlich aus. Letztendlich ist die R nineT keine Enduro. Und mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 430 kg und 110 PS ideal, um auch zu zweit Kurztrips zu unternehmen. Weitere Strecken können mit Sozius aber dann etwas strapaziös werden, da die Sitzbank relativ karg und dünn ausgefallen ist. Auf der anderen Seite passt diese wieder wunderbar ins Gesamtbild. Der ideale Ort, um den Scrambler ins richtige Licht zu rücken, erscheint uns am Preußenmuseum in Minden. Alte historische Mauern, natürlich wieder Pflastersteine treffen auf High-Tech und genug Historie, um richtige die Kulisse zu bilden, den Boliden schön aussehen zulassen. Der Farbton des matten Metalls, die grobstolligen Reifen, die schwarzen 19 Zoll Felgen und dazu die hellbraun abgesetzte Sitzbank verleihen der BMW genau das, was alle anmacht: Einen extrem eigenständigen Charakter, ein extrem cooles Aussehen und gleichermaßen die hohe Verarbeitungsqualität, die einem sofort ins Auge springt. Man will die R nine T einfach haben, einfach fahren und dieses Feeling genießen, was damit verbunden ist. Die ganze Maschine ist auf Adrenalin ausgerichtet.

Kein Drehzahlmesser, nur ein runder Tacho mit begrenzter Bordcomputerwiedergabe bilden den Rahmen für Ursprünglichkeit. Keine Tankuhr oder Ganganzeige. Mehr Zurückhaltung geht nicht und dabei ist dieses Motorrad kein Custombike. Aber auch überhaupt keins von der Stange. Die Ideallinie wurde von den Designern perfekt getroffen.

Kai, mein Fotograf, reißt mich bei der Betrachtung der Details wieder ins reale Leben zurück. „Fahr mal’n Kreis!“ höre ich und fahre dann einen Kreis, drei Kreise. Oder auch mehr? Größe! Kleinere! Bis für ihn (er ist wirklich Detail versessen, Gott sei Dank!) alles im Kasten ist. Für mich bedeutet diese Kreisfahrerei gleichzeitig auch das Händeln mit der 9T. Wie dosierbar ist die Bremse? Wie komme ich mit meiner Größe bei Schritttempo klar? Sind meine Füße im groben Schuhwerk (46) geeignet für spielerische Übergänge zwischen dem ersten und zweiten Gang? Alles funktioniert wunderbar. Eine gewisse Ruppigkeit ist nicht wegzuleugnen. Aber das muss auch so sein. Sonst wäre es kein Scrambler. Nach gefühlten mehreren Stunden Fotoshooting bei Bullenhitze wundere ich mich, dass das Handling von gut 222 Kilo mich noch nicht vollkommen platt gemacht hat. Kai hat tolle Arbeit geleistet. Auf dem Rückweg nach Löhne fahre ich die Bergstrecke über Bergkirchen mit seinen Serpentinen und komme mit entsprechendem Knieschluss an den richtig ergonomisch angelegten Tank (trotz relativ großer Bauart meinerseits) schnell und agil über diese Bergstrecke. Dann geht es über einen Abschnitt auf der A 33 Richtung Kreuz Löhne und ich lasse die BMW noch mal richtig fliegen. Die Laufkultur wird ab Tempo 130 etwas härter. Aber auch muss so sein. Beim Gasgeben werde ich abgeschossen wie mit einem Flitzebogen. Sehr cool. Fahren in seiner ursprünglichsten Form. Leider muss ich dieses wunderschöne Stück motorisiertes Metall wieder abgeben und gebe gern zu: Ich will mehr davon! Viel mehr!

Mein Fazit: Dieses Motorrad ist nicht nur lässig und cool. Sondern extrem erwachsen und das Retrodesign macht richtig an. Das Fahrgefühl sowieso. Dass es für Menschen mit einer Körpergröße Richtung 1,90 m etwas enger wird, sei dahingestellt. Aber trotzdem ist die Ergonomie voll erfüllt und die etwas magere Ausstattung nenne ich bei diesem Bike Purismus pur. Das muss so sein und darf nicht anders kommen. Mein Daumen geht nach oben!  Mein ganz großer Dank geht an Kooperationspartner Motorrad Weihe in Löhne, der diese Maschine zur Verfügung gestellt hat. Ein Bericht erfolgt in Kürze!

 

Am Ende einer wunderschönen Fotosession! vdm Michael Hiller

 

Autor: Michael Hiller

virtualdesignmagazine

Fotograf: Kai Fehler 

www.kaifehler.de

 

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