das KULTURgespräch   

Weltereignisse & Künstliche Intelligenz

virtualdesignmagazine Michael Hiller

KI ist mittlerweile allgegenwärtig. Beunruhigt dich das – insbesondere in der Musik? 
Hast du das Gefühl, dass sich etwas Synthetisches in etwas so Authentisches wie deinen Musikstil einschleicht?

Lisa Richard

Was Künstliche Intelligenz betrifft, denke ich, dass sie durchaus ein nützliches Werkzeug für viele Dinge sein kann. Aber es ist auch ein zweischneidiges Schwert. Denn ja, sie kann der Musikbranche schaden – etwa indem sie die kreative Tiefe aus Dingen nimmt, die eigentlich sehr persönlich sind. Es ist denkbar, dass sich manche Menschen eher zu KI-generierter Musik hingezogen fühlen. Das kann passieren.

Aber ich glaube, es gibt genug Menschen auf der Welt mit unterschiedlichen Ideen und Vorstellungen – und manche werden sich für KI-basierte Inhalte interessieren, während andere weiterhin eher zur persönlichen, authentischen Musik tendieren. Für beides wird es ein Publikum geben. Ich denke, es gibt genug Raum und genug Musik für alle – das wäre wohl meine Antwort auf die Frage.

Ich habe keine Angst vor KI. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Wie gesagt: Es kann ein zweischneidiges Schwert sein – aber man kann den Fortschritt nicht aufhalten. Man muss einen Weg finden, damit umzugehen – mit ihr, um sie herum oder auch durch sie hindurch. Oder eben nicht. Man kann sich auch bewusst dagegen entscheiden – und auch dafür wird es ein Publikum geben.

Mein Fazit: Jeder sollte seinen eigenen Weg finden. Solange man selbst glücklich mit dem ist, was man tut, werden sich wahrscheinlich auch Menschen finden, die sich davon angesprochen fühlen. Und ja – es wird immer auch Menschen geben, die sich eher zu etwas „synthetischerem“ oder KI-generiertem hingezogen fühlen. Ich glaube nicht, dass wir das aufhalten können. Aber im Moment bin ich deshalb nicht übermäßig besorgt.

virtualdesignmagazine Michael Hiller

In Zeiten wie diesen ist Musik ein Weg, Menschen zusammenzubringen. Beeinflussen aktuelle Weltereignisse deine zukünftigen Texte und Melodien?
 

Lisa Richard

Ich muss sagen, ich denke in letzter Zeit wirklich viel über neue Songwriting-Konzepte nach – auch wegen der ganzen politischen Entwicklungen, nicht nur hier in Kanada, sondern weltweit. Das beschäftigt mich definitiv. Gleichzeitig denke ich aber auch darüber nach, weiterhin so zu schreiben, wie ich es bisher getan habe – aus dem, was ich kenne und was mir vertraut ist. Denn genau das kann den Menschen auch eine kleine Auszeit geben.

Ein Beispiel: Vor ein paar Tagen haben wir ein Singer-Songwriter-Konzert gespielt – gemeinsam mit Christina Martin und Andrea England. Und etwas, das ich noch nie zuvor gemacht habe, aber das sich an diesem Abend genau richtig anfühlte: Ich habe alle gebeten, am Anfang des Konzerts aufzustehen – und wir haben gemeinsam unsere Nationalhymne gesungen. Ich habe das noch nie bei einem Konzert gemacht. Aber im Moment, angesichts der vielen Angriffe, die aktuell von der Trump-Administration gegen Kanada gerichtet werden, fühlte es sich einfach richtig an. Es ist eine sehr belastende, sehr ernste Zeit.

Ich habe das Gefühl, dass wir in Kanada gerade mehr Nationalstolz empfinden als jemals zuvor in meinem Leben. Und ich hätte nie gedacht, dass ich ein Konzert mal mit unserer Hymne eröffnen würde – aber wir haben es getan, und ich bin sehr froh darüber.

Es hat den Abend auf eine besondere Weise eröffnet – und danach war es für die nächsten zwei Stunden auch gut. Wir hatten diesen einen Moment, in dem wir uns alle gemeinsam verbunden fühlten – und danach konnten wir uns einfach auf das Konzert einlassen. Zwei Stunden, in denen wir etwas anderes spüren, denken und erleben durften.

Denn wie du sicher weißt – in den sozialen Medien, im Fernsehen, in den Nachrichten – es ist gerade pausenlos, was in Kanada und der Welt passiert. Und ich glaube: Für unsere eigene mentale Gesundheit ist es wichtig, eine musikalische Pause einzulegen, eine kleine Reise durch Musik zu machen. Ich denke, genau das ist uns an diesem Abend gelungen.

Es wurde gelacht, es wurde geweint, es gab großartige Geschichten und Gespräche – und nichts davon war politisch. Ich glaube, ein Teil davon war möglich, weil wir alle zu Beginn gemeinsam unsere Hymne gesungen haben. Danach konnten wir einfach durchatmen – für ein paar Stunden – und die Musik und die Künstler auf der Bühne genießen.

Ich hoffe, das beantwortet deine Frage – und ich hoffe sehr, dass wir uns eines Tages in Deutschland sehen und persönlich begegnen können.

das KULTUR

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virtualdesignmagazine Michael Hiller

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!
Wir würden uns freuen, dich bald wieder in Europa begrüßen zu dürfen – vielleicht sogar in Deutschland. Halte uns über deine Reise auf dem Laufenden; wir sind gespannt, was als Nächstes kommt!
 
 

Lisa Richard

Nach meinem Tanzstudium wurde mir klar, dass ich eine besondere Verbindung zu verschiedenen Kunstformen habe – sei es Musik, bildende Kunst oder Medien. Dennoch sehe ich sie nicht immer als zwingend miteinander verbunden. Jede Kunstform hat ihre eigene, unverwechselbare Ausdruckskraft, die ich gezielt einsetze, um Geschichten zu erzählen und Emotionen zu wecken.

Für mich trägt jede Kunstform eine Art Bewegung in sich: Ein Pinselstrich ist wie ein Schwung, jedes Instrument hat eine einzigartige Stimme, und der Körper selbst wird zu einem lebendigen Instrument. Frühe Berührungspunkte mit Musik, Malerei und Film haben mich inspiriert, diese Elemente spielerisch in meiner Arbeit zu integrieren. Besonders spannend finde ich den Dialog, der entstehen kann, wenn Bewegung, Emotion und visuelle Kunst miteinander verschmelzen.

Schon als Kind fiel es mir schwer, Gerechtigkeit oder Machtpositionen zu verstehen. Ich erinnere mich, dass ich mir im Kindergarten oft die Frage stellte: Ab welchem Alter wird ein Mensch „perfekt“?. Schnell wurde mir bewusst, dass dieser Moment niemals eintritt.

Strukturen und Rituale gaben mir ein Gefühl von Sicherheit, doch gleichzeitig fühlte ich mich oft von der lebendigen, bunten Welt in meinem Kopf abgeschnitten. Diese innere Spannung hat mich herausgefordert, körperlich und geistig mit den Gedanken der Kunst zu spielen, die sich bis jetzt in meiner Arbeit wiederspiegelt.

Lisa Richard

Canadian Singer Songwriter